Eigentlich bin ich Schäferhund-Liebhaber. Allerdings: es muss eine alte Arbeitslinie sein. Möglichst eine DDR-Linie mit geradem Rücken. Davon gibt es aber nicht mehr viele, erst recht keine Welpen und ein Altdeutscher Schäferhund mit langem Haar kam für mein Projekt nicht in Frage. Was für ein Projekt werden Sie sich jetzt fragen. Dazu komme ich gleich. Ich war also auf der Suche nach einem jungen Hund, der folgende Eigenschaften mitbringen sollte: menschenbezogen, einen sehr guten Geruchssinn, gehorsam im alltäglichen Umgang, kompatibel mit anderen Tierarten, freundlich Menschen gegenüber, mitdenkend, nicht überdreht (kein Workaholic!), ausdauernd und lernfähig.
Nachdem ich die Eigenschaften immer und immer wieder durchgelesen habe, war mir klar, dass ich möglicherweise nach einem Vorstehhund suche. Also habe ich mir die verschiedenen Rassen angeschaut und bin rein zufällig auf den „Deutsch Stichelhaar“ gestoßen, der den Beschreibungen nach meinen Ansprüchen gerecht werden sollte. Also Züchter gesucht. Gibt es nicht viele. Aber offensichtlich sollte ich Glück haben: Es standen noch drei Welpen zur Abgabe bei Henning Bertram (06456 Arnstein) in Sachsen-Anhalt.
Ich habe Kontakt aufgenommen und Herrn Bertram mein Anliegen erklärt: Ich sei eigentlich nicht auf der Suche nach einem Jagdhund, da ich jagdlich nicht ambitioniert bin. Ich bräuchte einen Hund, den ich zu einem Artenspürhund ausbilden könne, und zwar ganz speziell auf das Auffinden von Losung, Pässen, Schlaf- oder Aufzuchtplätzen von Iltissen. Neben den oben aufgeführten Eigenschaften dürfe der Hund aber nicht wildscharf sein, denn ich wolle in keinem Fall einen Iltis gefährden, sollte der Hund bei der Arbeit zufällig auf ein lebendes Exemplar stoßen oder es sich mitten in der Arbeit anders überlegen und lieber einem Reh oder Feldhasen hinterherhetzen.
In Herrn Bertram fand ich nicht nur einen Züchter mit Herzblut, sondern auch einen erfahrenen Jagdhunde-Ausbilder, der mir ausführlich die Eigenschaften des Deutsch Stichelhaar beschrieb und mich einlud, mir die Welpen anzuschauen. Er sei überzeugt, dass seine Hunde für die von mir beschriebene Arbeit absolut geeignet seien. Drei Wochen später war ich zu Besuch in Sachsen-Anhalt. Im Laufe des Nachmittags lernte ich viel über die Rasse und auch die Hunde kenne. Was soll ich sagen: Das Wesen der Hündin „Doro von der Gundelrebe“ hat mich sofort überzeugt. Einer der Welpen nahm intensiven Kontakt zu mir auf. Nach einigen Stunden verließ ich Familie Bertram mit der Gewissheit, dass diese Rasse für mich und für meine Arbeit passt. Da ich am Rande des schönen Siebengebirges zwischen Köln/Bonn und Koblenz, also in NRW sesshaft bin, habe ich zwei Ortschaften weiter übernachtet. Kurz entschlossen bin ich am nächsten Morgen wieder bei Familie Henning eingekehrt und habe „mein“ fünf Monate altes Deutsch Stichelhaar abgeholt, nämlich eben diesen Welpen, der sich bereits für mich entschieden hatte und auch an diesem Morgen bei seiner Entscheidung blieb.
Die Rückfahrt von gut fünf Stunden war für uns beide sehr anstrengend und wir waren sehr froh, endlich zu Hause auf dem Hof anzukommen. Obwohl der junge Hund die Strapaze der Fahrt, die plötzliche Trennung von der Familie und den Verlust seines gewohnten Umfeldes an ein und demselben Tag erleben musste zeigte er sich überaus freundlich meinem Mann sowie allen tierischen Hofbewohnern gegenüber und wich mir nicht mehr von der Seite. Da war er nun: der neue Mitbewohner des Retscheider Hofes (www.retscheider-hof.de) und zukünftige Iltis-Artenspürhund „Fredo vom Einetal“.
Die ersten Tage hat Fredo ausschließlich damit verbracht, Haus, Hof, die dazugehörigen 6,5 Hektar Weide und Brachland sowie alle tierischen Bewohner ausgiebig kennenzulernen. Sicherheitshalber mit einem Tracker versehen, konnte sich Fredo bereits nach wenigen Tagen freilaufend auf dem gesamten Gelände bewegen, was er nicht tat. Er hielt sich strikt an die Grundstücksgrenzen und orientierte sich immer an meiner Person, suchte häufig Augenkontakt und versicherte sich, dass ich für ihn immer in Sichtweite blieb. Da ich nicht unter Zeitdruck stehe, konnte Fredo sich in den Folgemonaten sowohl körperlich als auch „geistig“ in aller Ruhe entwickeln. Während ich den für mich notwendigen Grundgehorsam wie Sitz, das Ablegen, Ablegen und Warten, auf seinen Platz gehen, Abruf sowohl auf Zuruf als auch auf Handzeichen mit ihm trainierte, konnte ich während der Spiel- und Freizeiteinlagen in aller Ruhe meinen Hund kennenlernen.
Fredo lernte so schnell, dass ich mich ein Stück weit zurücknehmen musste, um nicht Gefahr zu laufen, den jungen Hund zu überfordern. Immer wieder habe ich mir auch Videos aufgenommen, sein Suchverhalten oder sein natürliches Anzeigeverhalten studiert, um eine klare Vorstellung davon zu bekommen, was mir der Hund später wie anzeigen soll. Fredo lernte unglaublich schnell und hatte bereits nach kurzer Zeit den Grundgehorsam verinnerlicht. Auch an der Leinenführigkeit musste ich nicht viel Zeit verschwenden. Da ich kein Freund von den meistgebrauchten Kommandos wie „Hier“ oder „bei Fuß“ bin, habe ich auch hier auf das Mitdenken meines Hundes gesetzt. Muss der Hund in meiner unmittelbaren Nähe bleiben, nutze ich eine Umhängeleine. Befinden wir uns außerhalb der bebauten Region, auf Feld- oder Waldwegen nutze ich eine Feld- oder Schleppleine.
Das Umleinen erfolgt immer mit dem gleichen Ritual: Ich bleibe stehen, Fredo macht rechts von mir „Sitz“, ich leine in aller Ruhe um und gebe ihm dann ein Handzeichen zum Weitergehen. Fredo hat auch dieses Procedere schnell begriffen und orientiert sich schlicht und ergreifend an der Länge der Leine, ohne dass ich dafür noch ein verbales Kommando nutzen muss. Wir verstehen uns einfach. Auch habe ich Fredos Vorliebe für das Herumtragen von Gegenständen genutzt, um ihn auf Wunsch etwas Apportieren zu lassen. Inzwischen kann er nach Aufforderung unterschiedliche Dinge holen oder auch z.B. einen Korb von einer bestimmten Position abholen und an einer bestimmten Position abstellen. Fredo hat an allem Spaß, möchte immer alles richtig machen und ist in der Regel hochmotiviert.
Fredo ist im Mai dieses Jahres ein Jahr alt geworden. Mit einem Stockmaß von 70 cm hat er seinen Vater „Amadeus vom Thabrauck“ bereits eingeholt und wird ihn an Größe mit Sicherheit übertreffen. Fredo zeichnet sich durch seine Lernfähigkeit, sein sanftmütiges und freundlichen Wesen sowie seine schnelle Auffassungsgabe aus. Als junger Hund kann er ausgesprochen gut abschalten und zur Ruhe kommen, was mir die Möglichkeit gibt, auch meinen anderen Tätigkeiten in vollem Umfang nachzukommen. Da wir jetzt den Grundgehorsam gefestigt haben und Fredo zwischen Spiel, Arbeit und reiner Freizeit sehr gut unterscheiden kann, können wir jetzt mit dem Projekt „Ausbildung eines Hundes als Artenspürhund zum Nachweis des Europäischen Iltis (Mustela putorius) anhand von Losung“ beginnen. Unterstützt wird das Projekt durch den WDD-Projektförderpreis des Vereins „Wildlife Detection Dogs e.V.“ (https://www.wildlifedetectiondogs.org/) und der „Stelberg Tier- und Naturschutzstiftung“.
Nicht, dass es jetzt falsch verstanden wird: Fredo ist nicht einfach nur ein „Projekt“. Fredo ist Familienmitglied, der Bewacher des Hofes, ein treuer Freund und einfach ein liebenswerter Hund. Er gefällt jedem, der uns besucht oder dem wir begegnen. Er ist Menschen gegenüber grundsätzlich freundlich und aufgeschlossen, obwohl er auch sehr gut auf mich aufpasst und das deutlich zeigt, wenn ihm die Situation angebracht erscheint. Auch zu Fredos Züchter, Henning Bertram, haben wir nach wie vor Kontakt, was uns sehr freut. Fredo hat sich spontan für mich entschieden und ich mich, Dank Herrn Bertram, spontan für die Rasse. Er ist ein toller Charakter und ich bin froh, ihn an meiner Seite zu haben. Ich hoffe, dass mir seine spezielle Ausbildung gelingt und wir über viele Jahre ein gutes Team werden und bleiben.